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zwei Jünglinge ans Argos, Kleobis und Biton, die sich durch Körperstärke auszeichneten und einst bei Gelegenheit eines Festes, bei welchem ihre Mutter als Priesterin das Opfer darbringen mußte, dieselbe selbst zum Tempel fuhren, weil die Stunde des Opfers da war und die Zugthiere ausblieben. Da habe die Mutter, sagte er, die Göttin angefleht, ihren Söhnen das Beste zu geben, was den Menschen zu Theil werden könnte; hierauf seien sie nach eingenommenem Opfermahl eingeschlafen und nimmermehr erwacht. Ungnädig entließ Cröfns den Solon, weil er sein Glück für gar nichts achtete, erfuhr in der Folge aber durch herbe Schicksalsschläge, wie Solon Recht gehabt hatte. Als dieser nach zehn Jahren in seine Heimath zurückkehrte, fand er den Staat von neuen Verwirrungen zerrissen; er zog sich daher als hochbejahrter Mann von den Staatsgeschäften zurück. Er mußte es noch erleben, daß ein talentvoller und schlauer Mann, Pisistrams mit Namen, diese Verwirrungen und Parteiungen benutzend sich zum Herrn, oder, wie man es damals nannte, zum Tyrannen*) von Athen auswarf. Derselbe ließ indeß Solons Verfassung bestehen und regierte überhaupt mit Freundlichkeit und Milde, und Athen genoß unter ihm die lang entbehrte Ruhe und gelangte zu großem Wohlstand. Solon soll sich in seinen letzten Lebensjahren nach der Insel Cypern begeben haben und dort gestorben sein.
§. 10. Oolykrates, Tyrann von Samos.
(530 v. Chr.)
In den ältesten Zeiten herrschten in allen griechischen Staaten Könige, wie wir das schon in der Geschichte des trojanischen Krieges gesehen haben. In den Jahrhunderten, die demselben folgten, wurde aber in den meisten Staaten die Königswürde abgeschasst; nur in Sparta erhielt sich dieselbe. An die Stelle der Könige traten nun die vornehmen Geschlechter, die aus ihrer Mitte Leute wählten, welche unter verschiedenen Namen mit der Leitung des Staates betraut wurden. Aber allmählich gelangten die übrigen Bürger zum größeren Wohlstand, bekamen somit Selbstgefühl und begehrten, an der Regierung Theil zu nehmen. Darüber geriethen sie mit dem Adel in Streit und das führte oft zu blutigen Kämpfen. In solchen Zeiten trat denn nicht selten ein einzelner Bürger aus, der durch geschickte Benutzung der Verhältnisse, ohne gesetzlich dazu berechtigt
*) S. über dieses Wort den folg. S-
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— 30 —
bei der cyprischen Stadt Salamis einen Sieg, (449 v. Chr.), und seit biefer Zeit ruhten bis auf Agesilaus' Zeit und später bis auf Alexanber den Großen die Feinbseligkeiten zwischen Persern und Griechen.
§. 14. ^erikles; der peloponneftsche Krieg.
Schon während Cimon's Staatsverwaltung hatte sich ein Mann bemerkbar gemacht, der jetzt an die Spitze der Geschäfte trat, nämlich Perikles. Er stützte sich namentlich auf die' große Masse, während (Simon mehr ein Freund der Vornehmen und Besitzenden gewesen war. Er hatte ein würdevolles Aeußere, das sehr an den früheren Tyrannen Pisistratns erinnerte; er stammte aus einem vornehmen Geschlechte und hatte eine Bildung genossen, wie kein Staatsmann vor ihm; er pflegte Umgang mit den ersten Weltweisen, Dichtern und Künstlern jener Zeit, unter denen sich namentlich der Philosoph Anaxagoras und der Bildhauer Phidias auszeichneten. Seitdem er anfing, sich mit Staatsangelegenheiten zu beschäftigen, befleißigte er sich eines mäßigen und von Vergnügungen zurückgezogenen Lebens. Um dem Volke die Macht in die Hänbe zu spielen, schwächte er das Ansehn und den Einfluß des Areopags, dem die Entscheidung über viele wichtige Angelegenheiten entzogen würde; er führte ferner für die Richter, für die Theilnahme an der Volksversammlung und für den Kriegsbienst einen Sold ein, damit so viele Bürger als möglich daran Antheil nehmen könnten, während früher solche Leistungen umsonst übernommen werden mußten. Auch sollten die Armen für die Zulassung zu den öffentlichen Spielen das Gelb aus der Staatskasse erhalten.
Die Bundesgenossen der Athener hatten eine gemeinsame Kasse, aus der die Kosten für die Perferkriege bestritten würden. Diese Kasse würde bisher aus der Insel Delos verwahrt und stand unter der Aufsicht eines athenischen Staatsmannes (zuerst des gerechten Aristi-bes) feit jener Zeit, wo durch des Paufanias Schulb die Leitung der griechischen Angelegenheiten (Hegemonie) von Sparta nach Athen übergegangen war. Dieses Gelb ließ Perikles jetzt nach Athen bringen und verwanbte es zum Theil dazu, die Stadt zu verschönern und jene prächtigen Bauwerke aufzuführen, bereu Ueberreste noch jetzt so sehr unsere Bewunberung erregen. Solche waren die Vorhallen ober Propyläen, das Thor zur Burg (Akropolis), der große Tempel der Minerva, Parthenon genannt, mit der 36 Fuß hohen Bilbsäule der
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Extrahierte Personennamen: Simon Pisistratns Anaxagoras Phidias
137
turni, wenn die Materialien mehr durch Menschen-
hände; und Fabriken, wenn sie durch Mitwirkung des
Hammers und Feuers bearbeitet werden (daher sagt
man: Hntmannfaktnr, dagegen: Stahlfabrik); doch wer-
den diese Benennungen häufig verwechselt. In Hamburg
giebt es viele Handwerker. Einige arbeiten sur unsere
Nahrung, z. B. dermüller, Bäcker, Fleischer (Schlach-
ter), Brauer; andere für unsere Wohnung, z. B. der
Zimmermann, Maurer, Schlosser, Tischler; noch andere
für unsere Kleidung, z. D. der Lein- und Tuchweber,
Hntmacher, der Schneider, Gerber und Schuster; oder für
unser Hansgeräth, B. die Tischler, Drechsler,
Töpfer, Goldschmiede, Blcchschlägcr, Zinngicster :c. Die
Kenntniß aller dieser Gewerbe heißt Gewerbsknndc oder
Technologie. jgebt die Materialien, die Werkzeuge und das
Verfahren der Handwerker an, die ihr kennt; bittet enern
Lehrer, euch das Uebrige zu erklären.)
In Hanibnrg darf nicht ein jeder ein Handwerk trei-
den, sondern er ninß ans bestimmte Art gelernt und das
Meisterrecht erworben haben; denn die meisten Handwerke
sind in Zünften, Innungen, Gilden vereinigt, und besitzen
ihre bestimmten Ordnungen und Gesetze. Der Knabe, wel-
cher ein Handwerk erlernen ivill, muß bei einem Meister
in die Lehre gehen und sich in das Handwerksbnch einschrei-
den (als Lehrling anfdingen lassen), und entweder Lehrgeld
bezahlen oder dafür gewöhnlich ein Jahr länger in der
Lehre bleiben. Hat er seine Lehrjahre beendigt (ausgelernt),
so wird er von dem Amte losgesprochen, znm Gesellen oder
Knecht erklärt und ihm ein Lehrbrief ausgefertigt. Jeder
muß dann eine Zeitlang ans Reisen (Wanderschaft) gehen,
um ;n sehen, wie sein Gewerbe anderswo betrieben wird,
und sich darin zu vervollkommnen. Er bekommt dazu seine
Kundschaft, seinen Reisepaß und Wanderbnch. In letzteres
schreiben alle Meister, bei denen er auf Reisen gearbeitet
hat, ein, ob er seine Wanderzeit gut angewendet. Ans
diesen Reisen findet der Geselle in den meisten Städten eine
Herberge, wo er so lange unterkommen kann, bis er bei
einem Meister Arbeit gefunden; für das Fortkommen und
die Krankenpflege wird durch das gewöhnliche Lagegeld,
wozu jeder Geselle beitragen muß, oder durch bestimmte
Geschenke gesorgt. Will der Geselle nun nach vollendeter
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146
richtig und gewissenhaft seine Abgaben an Steuern, Zoll
und Accise, bezahlen. Die Aufsicht über sämmtliche Ein-
nahmen und Ausgaben führt diestad tkämmerei, tvelche
aus zehn Bürgern besteht, die ihramt lojahre lang verwalten.
Rath und Bürgerschaft, so wie Kämmercibürger :c.
haben ihr Versammlungszimuier auf dem Rathhausc. In
frühern Zeiten stand es auf dem Fischmarktc. Dann bei
der alten Börse, mit welcher cs 1842 abbrannte. An der
vorder» Seite des ältern Theiles standen 21 Bildsäulen
deutscher Kaiser: von Rudolph I., welcher 1273, bis Fer-
dinand Iii., welcher 1637 zur Regierung kam. Das Po-
lizeiamt ist auf dem Stadthause.
Das Haupt-Zoll-und Aecise-Comptoir (jetzt Bleichen-
brücke) war vor dem Brande auf dein Eimbcckschen Hause,
das feinen Namen daher führte, weil das ehedem beliebte
Eimbecksche Bier blos hier verkauft werden durfte, uni nicht
den hiesigen Brauereien zu schaden. Es ivar ein hochauf-
getrepptes Gebäude, und unter demselben der sogenannte
Raths Weinkeller mit dem steinernen Bachus, jetzt im
Museum.
8. 47. In unserer Stadt sind auch viele arme Leute,
tvelche theils durch ihre Schuld (durch ihre Faulheit, Un-
ordnung und Verschwendung), theils ohne ihre Schuld
(durch Krankheit, Theurung, Mangel an Arbeit, Betrug
schlechter Menschen), in verschuldete oder unverschuldete
Armuth gerathen sind. Damit diese nun nicht gänzlich
Noth leiden und in ihrem Elende umkommen, ist eine
Armcnanstalt errichtet. Die Stadt ist deshalb in 6
Hauptbezirke eingetheilt, jeder hat einen Rathsherrn (Ar-
mcnherrn) au seiner Spitze. Jeder Hauptbezirk besteht aus
12 (in den Vorstädten aus 8) Quartieren unter einem
Armenvorstehcr und jedes Quartier wird von 2 Armen-
pflegcrn verwaltet. Letztere müssen die Umstände der armen
Familien undpersoncn genau untersuchen, damit die Leute,
welche arbeiten und sich selbst ernähren können, aber aus
Faulheit nicht mögen, den andern nicht das Brot vor
dem Munde wegnehmen, und um auszumittcln, wie dem
wirklich Bedürftigen am Besten zu helfen sei. Denen, die
arbeiten können, wird dann, womöglich, eine Arbeit gegeben ;
Andere erhalten Unterstützung, entweder ein für allemal,
oder einen wöchentlichen Zuschuß, oder Arzt und Arznei
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145
¿dum Zweige der Staatsregierung werden von einzelnen
Äathsherren, oder gewöhnlich vonrathshcrren und Bürgern
verwaltet. Für die Verwaltung des Rechts giebt cs ver-
schiedene Gerichte, wo Jeder seine Klage gegen Jeden an-
bringen kann. Die Richter müssen dann die Sache unter-
suchen, und ohne Ansehen der Person, unpartheil'sch nach
den Gesetzen richten. Damit die Untersuchung geschehen
kann, werden Klagen und Antworten schriftlich abgefaßt,
und beide Theile rufen, damit die Sachen gehörig abgefaßt
werden, einen Gesetz- oder Rechtsverständigen (Advokaten)
hinzu, der die Klage führt oder den Beklagten vertheidigt.
Die Polizei befördert Ruhe, Ordnung und Sicherheit.
Sie sorgt dafür, daß kein Unfug auf den Straßen, keine
Schlägereien, keine Zusammenlaufe und Tumulte entstehen,
daß die Gassen gereinigt, nicht durch Wagen :c. gesperrt
werden; sie achtet auf den Verkauf der Eßwaaren auf den
Märkten, sorgt mit der Bau- und Sch ifffahvsd eputat!vn
für das Bauwesen der Stadt, für Brücken, so wie für
Deiche, Hafen, Lcuchtthürme zum Schutz gegen Ueberschwcm-
mungcn und Schiffbrücke :c. und hat mit dem Gesund-
heitsrath die Aufsicht über Krankenhäuser, Apotheken, und
alles, was der Gesundheit der Bürger schädlich werden
könnte, so wie über die Sec-Ouarantaincanstalt in Cuxha-
ven, welche verhüten soll, daß nicht durch Schiffe an-
steckende Krankheiten aus andern Ländern hier verbreitet
werden; sie wacht mit der Fcncrkassendcputation über die
Lösch- und Rettungsanstaltcn (Spritzen) beifeucrsgcfahr rc.
Wenn der Bürger den Schutz des Staates genießt,
so muß er auch zu seiner Wohlfahrt beitragen. Daher
muß er nach den Gesetzen vom 20sten bis zum 60sten Jahre
zum Schutz der Stadt, zur Besetzung der Thore, Wälle:c.
in der Bürgergarde dienen; und weil unser Staat den Schutz
des deutschen Bundes gegen auswärtige Feinde genießt, so
muß derfunge Mann auch, wenn ihn das Loos trifft, in die
Garnison eintreten, welche, wenn Krieg mit andern Völkern
entsteht, mit zu Felde ziehen muß. — Zur Erhaltung aller
Anstalten und Einrichtungen des Staats, z. B. der Kirchen
und Schulen, der Gerichte und Polizei, der Brücken, Deiche,
Spritzen, Krankenanstalteu re., also für die Sicherheit und
den Schutz, den die Rechts- und Polizeiobrigkcit :c. lei-
stet, werden viele Ausgaben erfordert, daher muß auch der
Staat seine Einnahmen haben, und jeder Bürger muß
10
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Schilderung des Mittelalters.
97
Knochenhauer- oder- Fleischer-, Schuster-, Schneider-, Weber-, Kürsch-
ner-, Gerber-, Färber-, Schmiede- und Schwerdtfeger-Zunft, und
andere mehr. Eine jede hatte ihre Zunftmeister und wurde nach
bestimmten Gesetzen in Ordnung gehalten. Das ganze Gemeinwesen
wurde durch den Magistrat mit seinen Vorstehern, den Bürgermei-
stern, regiert.
In den ältern Zeiten waren die Städte meistens dem König,
oder einem Herzog, Grafen, Bischof oder anderm Landesherrn un-
terworfen, auf dessen Grund und Boden sie lagen, und um dessen
Burg sich die Stadt nach und nach gesammelt hatte. ^ Er hatte sei-
nen Burggrafen oder Vogt auf der Burg, und dieser übte in seinem
Namen die landesherrlichen Rechte, besonders die Gerichtsbarkeit, zog
die Einkünfte von den Zöllen, Mühlen, der Fischerei, der Münze
u. s. w., und führte im Kriege die Mannschaft der Stadt zum
Heere seines Herrn. Aber im Laufe der Zeit, da die Städte immer
reicher und stärker wurden, erwarben sie eins der landesherrlichen
Rechte nach dem andern, kauften sich davon los, oder machten die
Freiheit davon zur Bedingung nach einem glücklichen Streite für die
Herausgabe gewonnener Burgen oder vornehmer Gefangener. Sie
gehörten dann als freie Reichsstädte zum deutschen Reiche und
erkannten niemanden über sich als nur den Kaiser. Mit solchen
Reichsstädten war der ganze deutsche Boden bedeckt; die Fürsten leb-
ten damals noch selten in einer Hauptstadt, sondern gleich den übri-
gen Rittern, auf ihren Stammschlössern in ihrem Gebiete umher.
Es konnte nicht fehlen, daß nicht bald die größte Eifersucht
zwischen dem Adel und den Städten entstand, und diese mußten
daher stets auf ihrer Huth und in kriegerischer Verfassung seyn.
Ihre Bürgerschaft war in den Waffen wohl geübt. Jede Zunft
stritt zusammen und hatte ihren angewiesenen Sammelplatz, damit
ein jeder, wenn die Sturmglocke ertönte, sogleich wußte, wo sein
Platz im Streite war. Vielleicht galt es, einen nächtlichen Anfall
des Feindes von den Mauern abzuwehren, und nun eilte jede Zunft,
den Theil der Mauer, der ihr zur Verteidigung angewiesen war,
zu beschützen. Mit Pfeilen, Wurfspeeren, Steinen und Schleudern
wehrten sie die Angreifenden ab, oder hatten diese schon Sturmlei-
tern angelegt, so wurde mit Schwerdt und Streitkolbe, Mann gegen
Mann, gestritten. Jede Zunft wetteiferte mit der andern in der
Tapferkeit und oft hat dieser Wetteifer die Vaterstadt gerettet. Wa-
mv die Feind abgeschlagen, so rückte die Bürgerschaft meistentheils
heraus, ihn vollends in die Flucht zu treiben, und nun kam es zur
Schlacht in offenem Felde; die geschlossenen Reihen des Fußvolks,
worin die Stärke der Städte bestand, mußten es mit ihren langen
Speeren gegen die geharnischten Ritter aufnehmen und vor allen
Dingen trachten, deren Pferde zu durchbohren, weil sie dem Reuter,
so lange er darauf saß, wenig anhaben konnten. Doch hatten auch
die Städte Reuterei; das waren die adligen und patrizischen Ge-
schlechter, welche mit ihren Knechten zu Pferde auszogen; und bald
erfanden sie auch, Streit-' oder Rüstwagen zu erbauen, auf denen
Kohlr. Darstellung d. d. G. 4. Aufl. 7
TM Hauptwörter (50): [T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
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60 Ii. Zektr. Das Mittelalter. Von 768 bis 1517.
vielmehr mit dem Grundstücke an einen andern Herrn verkaufen oder
verschenken, wie er wollte.
Wiederum andere gab es, die sich so weit nicht aufopferten,
sondern wenigstens ihre persönliche Freiheit bewahren wollten. Weil
sie sich aber nicht selbst zu schützen vermochten, so gaben sie sich mit
ihrem Erbe in den Schutz eines mächtigen Nachbars und entrichte-
ten diesem dafür mancherlei Dienste, da man noch wenig in Gelde
zu entrichten gewohnt war. Sie wurden dadurch seine halbfreien
Dienstleute, und verpflichteten sich besonders, in seinem Gefolge mit
in den Krieg zu ziehen, wodurch sie vom Heerbanne frei wurden.
Jenes war nicht so beschwerlich und kam auch nicht so oft, als wenn
sie hätten im Heerbanne mit ausziehen müssen. Ihr Lehns- und
Gutsherr vertrat und beschützte sie nun, und sie waren von manchen
Bedrückungen um so mehr frei, je mächtiger er war. Die Untertha-
nen eines Klosters oder Bisthums lebten gewöhnlich am ruhigsten,
und daher entstand das Sprichwort, „daß unter dem Krummstabe
gut wohnen sey."
Durch die, im Obigen angeführten, verschiedenen Ursachen war
nun am Ende des neunten Jahrhunderts nach Christi Geburt die
Zahl der gemeinen freien Leute in unserm Vaterlande immer kleiner
geworden; die größeren und kleineren Edelleute: Herzöge, Grafen,
Ritter, und die Geistlichkeit mit ihren nach verschiedenen Stufen ab-
getheilten Dienstleuten, machten den größeren Theil der Bevölkerung
des Landes aus; und es ist ein Hauptgegenstand im Verfolge unse-
rer Geschichte, wie allmählig wieder der Stand der freien Bürger
und Bauern bei uns emporgekommen ist.
Der letzte Karolinger, Ludwig das Kind, regierte zum Glück
nicht lange; er starb im Jahr 911. Die deutschen Fürsten wählten
unter sich den Herzog der Franken
30. Konrad §. 911 — 918*
zum Könige. Er war ein kluger, rechtschaffener und tapferer Fürst,
und hat in den wenigen Jahren, die er regierte, alle seine Kräfte
zur Wiederherstellung der inncrn Ordnung im Reiche und zur Be-
kämpfung der äußern Feinde angcwendet. Aber er hatte doch wohl
gesehen, daß seine Macht noch nicht stark genug war, und faßte
daher den edelmüthigen Entschluß, nicht seinen Bruder Eberhard,
welcher das Herzogthum Franken nach ihm erbte, sondern den mäch-
tigen Herzog von Sachsen, Heinrich, obgleich er früher sein Feind
gewesen war, zu seinem Nachfolger im Reiche zu empfehlen. Diesen
Entschluß faßte er, als er an einer, gegen die Ungarn erhaltenen,
Wunde krank lag und die Annäherung des Todes fühlte. Er ließ
seinen Bruder Eberhard rufen, und sprach zu ihm: „Zwar fehlt cs
auch uns und unserm Geschlechte nicht an Macht und Ansehen, um
die Königswürde in Deutschland mit Ehren behaupten zu können,
mein Bruder, aber die größere Macht ist bei Heinrich, der Sachsen
Herzoge; und er ist ein weiser Mann; des Reiches Wohlfahrt wird
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Extrahierte Personennamen: Ludwig Ludwig Konrad_§ Konrad Eberhard Heinrich Heinrich Eberhard Heinrich Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Christi Sachsen Ungarn Deutschland Sachsen
100 Ii, Zeitr. Das Mittelalter. Von 768 bis 1517.
freie Grundbesitzer hatten sich nur sehr wenige von ihnen zu erhalten
vermocht; die meisten waren einem benachbarten Edelmanne oder
Stifte dienstbar geworden, waren an den Boden, den sie bauten,
mit Weib und Kindern gebunden, und mußten den Ertrag ihres
säuern Schweißes größtenteils ihren Herren überlassen. Dann fehlt
aber dem Menschen der Muth, aus freier Lust thatig zu seyn,
wenn er nicht für seine Nachkommen arbeiten kann. Dazu waren
sie wehrlos, denn man hielt keinen Unfreien würdig, die Waffen zu
führen. — Doch fingen die Landbauer seit den Kreuzzügen an, sich
nach und nach einigermaßen aus diesem Zustande cmporzuarbeiten.
Der Papst hatte befohlen, daß jedem Knechte, der das Kreuz neh-
men und nach dem heiligen Grabe ziehen wollte, die Freiheit gege-
den werden mußte. Dadurch erwarben Tausende ihre Freiheit. Von
den vielen Rittern, die ebenfalls nach dem gelobten Lande zogen,
kamen die meisten nicht wieder, und in der langen Ungewißheit, ob
sie todt, und wer bei manchem der Erbe sey, machten sich wieder
viele der Leibeigenen frei. Hauptsächlich aber benutzten sie die Strei-
tigkeiten zwischen dem Adel und den Städten, suchten bei einer
benachbarten Stadt, die mit ihrem Herrn im Kriege war, Schutz,
zahlten ihr ein Schutzgeld, und wurden dafür als Ausbürger ange-
nommen. Wenn die Adligen auf diese Weist nicht alle ihre Unter-
thanen in der Nähe der Städte verlieren wollten, so mußten sie
ihnen lieber selbst die Freiheit für eine Summe Geldes oder für
bestimmte und leichtere Dienste verkaufen. So haben die freien
Bürger der Städte auch sehr bedeutend geholfen, daß nach und nach
wieder ein Stand freier Bauern in Deutschland aufgekommen ist.
Es ist damit aber langsam gegangen.
In den schlimmsten Zeiten des Faustrechts drückte die allge-
meine Unsicherheit, die das Hauptübel derselben war, vorzüglich
den Landmann. Er war keinen Tag sicher, daß nicht die benach-
barten Edelleute auf seinen Feldern ihre Fehde ausfochten, mit den
Hufen ihrer Pferde seine Saaten zerstampften, und vielleicht gar in
dem allgemeinen Tumult seine Hütte über seinem Kopfe ansteckten.
Wie glücklich können wir uns fühlen, daß die öffentliche Sicherheit
so viel besser geworden ist, daß wir die Landstraßen bereisen und
am Abend uns ruhig zum Schlafe in unserm Hause niederlegen
können. Der, welchem Unrecht geschehen ist, kann sein Recht finden,
und auch der Vornehmste und Mächtigste muß dem Spruch der
Gerichte gehorchen. Damals galten die Gerichte gar wenig, es sey
denn, daß einmal ein recht kräftiger Kaiser ihnen durch starke Straf-
beispiele wieder auf einige Zeit Ansehen gab. Sonst wurde das
Wort des Richters nicht gehört, und ein jeder that, wozu er die
Macht in Händen hatte.
4. Die Vehmgerichte. — Unter diesen Umständen bil-
deten sich in Westphalen die sogenannten heimlichen- oder Vehmge-
richte, und breiteten sich von da auch in andere Gegenden aus. In
Dortmund war der Hauptstuhl dieser Gerichte. Sie standen un-
mittelbar unter dem Kaiser und richteten in seinem Namen über alle
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184 Ul. geitv. Dke neuere Zeit-, von dev Reformation bis jetzt»
die Zufriedenheit seines Volkes, befördert. Daher sing er den Tag
nach beschlossenem Frieden sogleich mit dieser Sorge an, vertheilte die
überflüssigen Pferde unter die am meisten verarmten Landleute, und
schenkte ihnen das Korn, welches für den nächsten Feldzug schon
aufgekaust war, als Saatkorn. In Schlesien wurden die Abgaben
auf 6 Monate, in Pommern und der Ncmnark, wo die Russen ge-
hauset hatten, auf 2 Jahre erlassen. Und dazu verschenkte er, um
dem Ackerbau und den Gewerben aufzuhelfen, alljährlich auch noch
eine Million Thaler aus seinem eignen Schatze. Er konnte mit
Recht so viel verschenken, weil er sich jährlich selbst so viel an der
zu seiner Hofhaltung ausgesetzten Summe absparte, während manche
andere Fürsten den Schweiß ihrer Unterthanen in Festen und Lust-
barkeiten verschwendeten. Es war auch - nöthig, daß dem Bürger
und Landmann so geholfen wurde, denn in dem Kriege waren nicht
weniger als 14,500 Häuser in den verschiedenen Provinzen, und
zwar die meisten von den Russen, niedergebrannt worden. Doch
hätte das baare Geld, welches der König verschenkte, das Unglück
allein nicht wieder gut gemacht, wenn nicht die Tugenden der Spar-
samkeit,, Arbeitsamkeit und Ordnungsliebe dazu gekommen wären,
worin der große König seinem ganzen Volke ebenfalls ein Muster
war. Friedrich schlief nie mehr wie 4 bis 5 Stunden. Um 4 Uhr-
des Morgens stand er auf, und von da an war die Zeit des Tages auf das
Genaueste eingetheilt. Jede Stunde hatte ihre feste Bestimmung,
wovon er niemals abwich. Die ernsthaften Geschäfte der Regierung,
das Lesen der Berichte, das Anhören seiner Staatsminister und Ka-
binetsräthe, das Angeben seiner Beschlüsse, gingen allem andern vor;
dann waren auch einige Stunden den Lieblingsbeschäftigungen mit
der Musik, den Wissenschaften und der Dichtkunst gewidmet. Der
König schrieb selbst Gedichte und wissenschaftliche Werke, welche noch
jetzt ein schätzbares Denkmal seines großen Geistes sind; und wenn
er mit seiner Flöte in den Zimmern seines Schlosses auf und nieder
ging, und sich durch ihre Töne erheiterte, so war seine Seele, wie
er selbst versichert hat, am allerfreiesten, und großen Gedanken und
Entschlüssen offen. Auch die Unterhaltung mit geistreichen Männern
liebte er außerordentlich; und urn jeden Augenblick der Zeit gut zu
benutzen, versammelte er immer eine Anzahl derselben an seiner Tafel
um sich. So war ihm die Zeit, mit welcher so viele Menschen ver-
schwenderisch umgehen, das kostbarste Gut, und in seiner Jugend,
wie im Alter, war Arbeitsamkeit und Treue in Erfüllung seiner
Pflichten sein erstes Gesetz. Er selbst schrieb einst einem Freunde:
„Du hast Recht, wenn du glaubst, daß ich viel arbeite. Ich thue
es, um zu leben. Denn nichts hat mehr Aehnlichkeit mit dem Tode,
als der Müßiggang."
So wie in seinem eignen Tagwerke, so wußte er auch in der
Verwaltung seines Reiches die Ordnung aufrecht zu halten. Jeder-
mann scheute das Auge des Königs, denn er sah sehr scharf und
strafte streng, wenn er Untreue oder Nachlässigkeit sah. Um sei-
nen, gegen die übrigen großen Mächte immer nur kleinen, Staat in
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auf. Von jetzt an nannte er sich Friedrich I., König in Preußen. Am Tage vor der Krönung, den 17. Jannar, stiftete Friedrich bett schwarzen Adlerorden.
Friedrich hatte dem deutschen Kaiser für seine Zustimmung zur Königswürde versprochen, ihm im Falle eines Krieges Hülfstruppen zu stellen. Da nun bald nach der Krönung der spanische Erbfolgekrieg ausbrach, so säumte er nicht, feinen Verpflichtungen nachzukommen. Es kämpften denn preußische Truppen am Rhein und auch in Italien mit der größten Tapferkeit.
Auf friedliche Weise erwarb Friedrich durch Erbschaft das Fürstenthum Neuenburg in der Schweiz, am Rheine die Grafschaft Mörs, ferner die den rheinischen Besitzungen nahe liegenden Grafschaften Singen und Tecklenburg, letztere jedoch durch Kauf.
Friedrich hinterließ bei seinem Tode im Jahre 1713 seinem Nachfolger ein Königreich, das 2078 Quadratmeilen groß war. Allein dieses Land hatte viel von dem blühenden Wohlstände verloren, in welchen des großen Kurfürsten Regierung es versetzt hatte. Die Unterhaltung eines großen Heeres, der königliche Hofstaat und des Königs Verschwendung machten, daß nicht nur der angesammelte Schatz verschwand, sondern daß Schulden ans Schulden sich häuften. Da wurden denn die Unterthanen mit den drückendsten Abgaben belastet, und doch war der Hof in steter Geldverlegenheit.
Friedrich Wilhelm I. 1713—1740.
Dieser war ein Feind von aller Pracht und Verschwendung und gab vom Throne aus das Beispiel der größten Sparsamkeit. An seiner Tafel und in feiner Kleidung herrschte eine solche Einfachheit, daß seine Diener sich nicht selten über die Sparsamkeit ihres Königs lustig machten. Er führte aber auch eine strenge, sparsame Verwaltung ein und steigerte so die Einkünfte des Landes gar sehr, obgleich die Unterthanen weit weniger Steuern zu
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_I. Friedrich_I. Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Wilhelm_I.